Reisebericht Nr. 4

02.11.00, Las Vegas, USA

Hallo Leute, hier kommt neues von der Front.  

Nach meiner letzten Mail schlug natürlich wie erwartet das Wetter wieder ins Gegenteil um. Zunächst herrschte noch drei Tage lang Sonnenschein dann kam am Bryce Canyon eine Kaltfront daher, dass einem hören und sehen verging.

Zwei Tage zuvor bin ich noch mit der XT in einem winzigen Sandloch gestolpert, kam mit dem linken Fuß unter den Koffer und macht mit einer halben Schraube links einen Highsider vom Sattel. Und das direkt nach dem Frühstück! So 30 km später schaute ich mir dann die Bescherung mal genauer an, da die Beule durch die Springerstiefel deutlich erkennbar war! Meine Güte sah das aus! Als ob man die Hälfte eines Überraschungseies auf den Fußrücken legt und mit grüner und violetter Schminke etwas kaschiert. Tat sehr weh! Nach einer Eigenbehandlung mit Salbe und Verband ging’s dann weiter. Ich hatte den Verdacht, dass der Fuß zumindest angeknackst war. Da mein Vater aber einmal, nicht gerade nüchtern, auf dem Heimweg von der Stammkneipe über den Bürgersteig gefallen war und sein Fuß exakt genau so aussah wie meiner jetzt, machte ich mir nicht mehr weiter Gedanken. Das heilt auch so wieder! Und auf dem Bock ist der Huf ja doch die meiste Zeit ruhiggestellt.

So gelangte ich also zum Bryce Canyon wo ich das schlechte Wetter nutzte das Öl zu wechseln und den Luftfilter zu reinigen. Dabei merkte ich auch, dass der Hinterreifen durch die elend langen und geraden Highways nach 10.000 km schon deutlich abgefahren, will sagen platt war.

Das Wetter wurde immer schlechter! In der folgenden Nacht im Wald musste ich zwei mal raus um das Zelt vom Schnee zu befreien! Morgens weckte mich dann ein wirklich ätzendes Geräusch! Ein Schneepflug auf dem Highway!

Bis ich dann alles zusammengepackt und querfeldein, denn es war bei 30 cm Schnee kein Weg mehr zu erkennen, den Highway erreicht hatte kam schon der zweite Schneepflug daher. Hinter diesem fuhr ich dann satte 100 km her. Mit abgefahrenem Hinterreifen, klammen Fingern und beschlagenem Visier!

  Zum Glück ist das Urlaub! Erinnerte mich stark an mein erstes Tesch-Treffen.

Ich war dann heilfroh in einer Jugendherberge in Hurrikane unterzukommen. Dort traf ich dann auch zwei Ärzte aus Deutschland, die mir bestätigten das der Fuß möglicherweise angebrochen sei, man aber bei diesem Knochen nix weiter tun kann. Gut ich muss dazusagen, dass waren zwei Studentinnen der Tiermedizin. Das tut der Sache aber keinen Abbruch. Lediglich die Diagnose war etwas ungewöhnlich: „Linker Hinterhuf lahmt. Tier muss nicht erschossen werden. 14 Tage kein Ausritt.“

Nachdem ich mein Hinterrad neu besohlen ließ ging’s dann über den Hoover-Damm und Boulder City bis nach Nelson in die Wüste. Dort kam ich nach einer Nacht in der Wüste unter freiem Himmel mit einem Klasse-Lagerfeuer bei einer Familie mit einer eigenen Goldmine unter.

Zuvor machte ich aber noch die Bekanntschaft mit einem besonderen Verkehrsschild.

DIP

Ihr wisst nicht was ein DIP ist? Ich bis zu dem Zeitpunkt auch nicht!

Also: Meine Reisegeschwindigkeit beträgt hierzulande 80 km/h. Dann kommen endlich einmal Kurven und man ist nicht unbedingt gewillt langsamer zu fahren. Vor einer Linkskurve stand dann das Schild DIP mit dem Zusatz 15 mph. Okay, ich kam dann noch mit ca. 50 km/h um die Ecke, und mir wurde schlagartig schlecht. DIP ist die Abkürzung für: “Sehr geehrter Verkehrsteilnehmer, aus Kostengründen und der Tatsache, dass der nachfolgende Fluss nur sehr selten Wasser führt haben wir an dieser Stelle auf den Bau einer Brücke verzichtet! Vielen Dank für ihr Verständnis und viel Glück!“

Eine asphaltierte Straßenfurt!. Steil ist die Abfahrt, kurz die Ebene und ebenso steil die Auffahrt. In dieser Senke hätte man locker ein Auto verstecken können! Wie gesagt, in kam mit 50 km/h an der Stelle an und ab ging’s. Zum kompletten Abheben hat es zwar nicht gereicht, aber ich habe auf der anderen Seite den gesamten Federweg der XT bis auf den letzten Millimeter genutzt und war über den Plastiktank zwischen den Beinen sehr froh! (Insider wissen wovon ich rede). Aber ich blieb senkrecht!

Zwei Tage lang hab’ ich der Familie geholfen eine Baracke auszumisten und einige Bäume zu pflanzen. Sonntags habe ich mich dann verabschiedet und bin Richtung Sedona / Arizona aufgebrochen. Unterwegs traf ich zwei aus LA die ein Foto von mir und meinem Moped für ihren Motorrad-Club daheim machten. Als Scherz verlangte ich dafür eine Dollar, bekommen habe ich die Adresse und die Aufforderung sie in LA zu besuchen. Ich soll aber vorher anrufen, damit sie ein Zimmer für mich frei machen. Ich glaube die laden den ganzen Motorradclub zu meiner Besichtigung ein.

Von Seligman bis Flagstaff fuhr ich dann wieder im Schnee! Also eindeutig ade Grand Canyon! Von einer billigen Absteige in Sedona aus fuhr ich dann mit dem Ziel Petrified Forest NP los. Nach 100 km kam ich wieder in den Schnee und schrieb auch diesen Park endgültig ab. Man ist ja flexibel. Also nach Süden Richtung Mexiko in wärmere Gefilde.

Auf dem Weg dorthin nahm ich auf dem Highway deutlich Dieselgeruch wahr. Und fast so breit wie meine Fahrspur war der Streifen zu sehen. Nach ca. 2 Meilen hatte ich dann den Verursacher vor mir. Es qualmte bereits gewaltig unter der Motorhaube! Ich hupte und setzte mich vor ihn. Zunächst wollte er weiterfahren. Aber die Kiste zog scheinbar nicht mehr! Ich wendete und parkte deutlich sichtbar vor der Kurve. Als ich zum Fahrzeug kam züngelten bereits die Flammen unter der Motorhaube! Die lächerlichen Feuerlöscher konnten nicht viel ausrichten und ich sagte, dass es wohl besser wäre alles an Wertsachen aus dem Fahrzeug zu holen und den Wohnanhänger abzukoppeln. So ganz gemächlich machten sich die Leute dann daran. Ich sagte, dass das Auto wohl verloren sei und sie sich beeilen sollten! Alles war zu spät! Die ganze Kiste brannte ab! Dumme Amis manchmal.

Auf der Höhe von Gila Bend campte ich dann in der Wüste. Am Tag darauf fuhr ich früh los in den Organ Pipe Cactus NP. Auf dem Weg dorthin durchfuhr ich auf der Landkarte ein rosa unterlegtes Feld. Normalerweise sind hier so die Indianerreservate markiert. Plötzlich zuckte etwas im rechten Rückspiegel und ich dachte schon ich hätte etwas verloren. Nein! Im selben Augenblick wurde ich rechts in ca. 100 m Entfernung und ca. 20 m über dem Boden von einer F-16 überholt. Ihr kennt Top-Gun, den Film? So ein Ding! Es machte eine Linkskurve so dass man ohne Problem die Aufschriften auf beiden Tragflächen hatte sehen können, stellte sich wieder waagerecht und schoss ab in den Himmel bis ich es nicht mehr sehen konnte. Gefolgt von drei weiteren solcher feigen Waffen! Ich fiel fast vom Bock, so war ich erschrocken! Ich klammbüserte dann die Landkarte aus dem Tankrucksack und stellte fest, dass die rosa Schraffierung ein Übungsfeld der Air-force und kein Indianerreservat markiert.

Zum Glück habe ich hier nicht übernachtet!

Der Organ-Pipe NP war sehr schön! Ein Rundweg ging über 90 km Gravel-Road – die Gelegenheit zum Üben für Australien! Sehr schöne Landschaft. Kurvenreich und mit Flussdurchfahrten (allerdings so trocken das es staubte). Immer besser ging es um die Kurven, teilweise sogar im Drift. So langsam wurde ich immer zuversichtlicher!

Ächt easy!!

Irgendwann muss dann mein Hinterreifen festgestellt haben, dass die 25 % Offroad überschritten sind. Vielleicht lag es auch an der nach außen abfallenden Rechtskurve, vielleicht auch minimal an der mittlerweile recht forschen Fahrweise. Jedenfalls verlor der Hinterreifen jegliche Bodenhaftung und fand sie nicht wieder! Aber auf dem Schotter rutscht man ohne jegliche Verluste. Jedenfalls haben mich auch meine „erlernten Reflexe“ (wie es Horst einmal nannte) nicht mehr gerettet. Übrigens Horst: Über deine Schweißnähte am Träger müssen wir noch mal reden! Da ist eine dabei, die ist wie ein defekter Reißverschluss! Auf, zu, auf, zu, auf. Bloß das ich zum zumachen immer ein Schweißgerät brauche. Aber sonst ist nix passiert.

Das war’s für heute, jetzt stürze ich mich ins Gewühl und versuche Millionär zu werden. Wie war das mit dem Pech in der Liebe?...

Bis demnächst, euer Waldschrat

  - Mittendrin, statt nur dabei -